Trauerphasen

Die Trauer in Phasen einzuteilen ist ein Denkmodell. Es ist nicht zwangsläufig, dass alle Menschen so empfinden und sich entsprechend verhalten. Manchmal werden auch Phasen übersprungen oder jemand fällt auch in eine vorherige Phase zurück, die er oder sie glaubte, schon bewältigt zu haben. Viele Trauerbegleiter lehnen deshalb das Phasenmodell ab. Wir meinen, die 4 Trauerphasen, sind eine Hilfe, um sich selbst und andere Trauernde zu verstehen.

Männer trauern anders als Frauen. Bei Männern (und auch Frauen) kann es sogar sein, dass sie die Trauer völlig verdrängen. Manche nehmen sofort wieder ihre Arbeit auf, andere fallen in völlige Lethargie.

Trauerphasen nach Kübler-Ross/Verena Kast

Elisabeth Kübler-Ross, Therapeutin und Sterbebegleiterin in den USA (verstorben 2005) hat ein Phasenmodell für Menschen entwickelt, die die Nachricht bekommen, dass sie unheilbar krank sind und Menschen, die um einen Angehörigen trauern. Verena Kast, Therapeutin am C.G. Jung Institut in Zürich, benutzt ähnliche Begrifflichkeiten.

Wir haben das Modell mit praktischen Erfahrungen unserer Beratungsarbeit ergänzt.

1.) Nicht-wahr-haben-wollen

P1090610In dieser Phase wird der Tod geleugnet. Betroffene haben das Gefühl zu träumen. Sie sind zeitweilig nicht richtig ansprechbar. (Die Beerdigung erleben sie oft wie einen Film.) Sie wirken wie versteinert und gefühllos. Manche sind geschockt. Manche sind ungeheuer aktiv.

Angehörige sollten die Möglichkeit haben, die Leiche zu sehen und sich zu verabschieden. Angehörige, vor allem Ehepartner, die die Leiche nicht gesehen haben, leugnen oft sehr lange oder können es nicht glauben, dass ihr Ehemann, ihre Ehefrau, ihr Kind tatsächlich tot ist.

In dieser ersten Phase sind die Trauernden meistens mit der Beerdigung, mit Behördengängen und mit Menschen, die zu Besuch kommen so beschäftigt, dass für Trauer keine Zeit bleibt.

2.) Aufbrechen chaotischer Emotionen

P1050475Die Beerdigung ist gewesen. Die Besuche werden weniger. Es kehrt Ruhe ein. Die Welt ist voller Erinnerungen an den Verstorbenen oder an die Verstorbene.
Es kommt ständig Post für den Verstorbenen. Jeder Brief führt zu Tränenausbrüchen. Die Versicherungen machen ständig „Schwierigkeiten“.
Schlafstörungen, krankheitsanfällig, Haushaltsgeräte gehen kaputt.

Trauernde haben das Gefühl, verrückt zu werden. Angstgefühle und Zornausbrüche können sich abwechseln. Trauernde fühlen sich auch von ihren Kindern oder nahen Angehörigen nicht verstanden.

Sie haben keine Leistungsfähigkeit, Wohnung und Haushalt werden vernachlässigt. Der Arzt ist hilflos. Man möchte dem Partner nachsterben. Trostworte wie: „Das wird schon wieder“ oder „Das Leben geht weiter“ lösen Aggressionen aus.

Trauernde fühlen sich am Tod des Anderen schuldig. Sie vermuten Versäumnisse beim Arzt oder beim Krankenhaus. „Hätte es diese Fehler nicht gegeben, könnte mein Mann, meine Frau noch leben.“

Viele Trauernde bekommen in dieser Phase sehr viel Schlaf- und Beruhigungsmittel vom Arzt. Manche entschließen sich zu einer psychosomatischen Kur.

3.) Suchen, Sich-finden und Sich-trennen

IMG_3127Man stellt sich ein Foto des oder der Verstorbenen auf. Fotos werden geordnet. Die Kleidung wird sortiert. Die wichtigen Sachen erhalten besondere Plätze, andere Kleidungssachen werden verschenkt. Der Schmerz ist noch unerträglich, aber es entsteht auch das Gefühl der Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit. Der Friedhof wird zu einem positiven Ort der Zwiesprache mit der oder dem Verstorbenen. Es wird ein Grabstein bestellt. (Die Aufstellung des Grabsteins ist dann wieder angstbesetzt. „Jetzt ist es endgültig, der Name steht auf Stein geschrieben.“)

Die Arbeit ist nicht mehr nur Last, sie wird auch als Möglichkeit der Trauerverdrängung empfunden (man kommt auf andere Gedanken).

Jüngere Trauernde (20 – 45 Jahre) gehen wieder in die Disco um dort ihre Trauer auszutanzen, noch nicht um jemanden kennen zu lernen.

4.) Phase des neuen Selbst- und WeltbezugsP1100162

Der Betroffene, der sich in der Trauer von anderen zurückgezogen hat, bewegt sich wieder auf andere Menschen zu. Frauen wenden sich eher Frauenfreundschaften zu. Oft suchen und finden sie eine neue Aufgabe in einem Verein oder in einer Kirchengemeinde. Sie pflegen die Gemeinsamkeit.
Männer suchen vorsichtig wieder eine Partnerschaft.
Jüngere Trauernde suchen wieder Freundschaften mit dem Wunsch auf eine neue Partnerschaft.

Jeder neue Trauerfall im Freundeskreis oder in der Verwandtschaft, kann einen Rückfall bedeuten. Todesfälle erinnern an den eigenen Todesfall. Ansonsten ist der Verstorbene weiterhin „im Herzen“ dabei. Es wird weiter über ihn gesprochen. Bei Feiern erinnert man sich an ihn, an die schöne Zeit mit ihm.

Bei verwaisten Eltern dauern diese Phasen wesentlich länger. Viele Mütter verharren in einem lebenslangen Trauerprozess und richten ihr Leben in der Trauer ein. Viele Frauen bleiben über die bundesweiten Verbindungen der Verwaisten Eltern in Kontakt.

Das bringt Konflikte mit den Ehemännern, die eher  „Normalität“ zur Trauerbewältigung suchen. Bisher hat sich für trauernde Männer ein begleiteter Segeltörn als hilfreich erwiesen. Da muss man nicht über die Trauer reden. Man ist mit ähnlich Betroffenen zusammen und kann abends beim Drink reden.